Freitag, 2. März 2012

Kein Hut drauf, kein Wurm drin: Mezcal

Mit dem Schnaps Mezcal keimen so einige Ressentiments: alkoholisch, aggressiv und  anrüchig. Leider hat dieses Vorurteil nur wenig mit der Realität gemein. Hinter der Spirituose verbirgt sich ein absolutes Top-Produkt, insbesondere wenn es die traditionelle Handschrift von regionalen mexikanischen Produzenten trägt: den Mezcaleros 

Im Rahmen seiner Tätigkeit als Architekt und Dozent der freien Universität Berlin, war Axel Huhn seit dem Jahr 1999 immer wieder in Mexiko  als Entwicklungshelfer tätig. Eine Arbeit, die ihn zugleich zum Ursprung einer landestypischen Spirituose führte: Dem Mezcal, der insbesondere auch in abgelegenen Dörfern, weit ab von der Industrialisierung produziert wird. „Wie man vielleicht im Schwarzwald von einem Landwirt ein Kirschwässerchen serviert bekommt, so wird in den einfachen Haushalten Mexikos ein Mezcal auf den Tisch gestellt“, erzählt Axel Huhn, in dem in den folgenden Jahren nicht nur die Leidenschaft für die Spirituose entbrannte, sondern auch die Idee, das Getränk in Deutschland zu vermarkten.

Huhns Einfall endete jedoch nicht als Schnapsidee auf einem Bierdeckel: Seit diesem Jahr betreibt der 40-Jährige die Mezcaleria, eine private Bar in Berlin. Dort werden nach Voranmeldung Mezcal-Verkostungen durchgeführt, die Spirituose  vertreibt er zusätzlich auf seiner Internetplattform.  Die Produkte importiert er fast ausschließlich von kleinen mexikanischen Produzenten, die er während seinen Exkursionen nach Mittelamerika persönlich kennen lernte. Zudem gehört Los Danzantes zu seinen Lieferanten. Die bekannte Vereinigung verschrieb sich der Erneuerung der Landesküche und betreibt neben vier Edelrestaurants, eine eigene Brennerei.

Zudem vertreibt Los Danzantes qualitativ hochwertige Mezcals aus anderen Regionen des Landes, die meist in Kleinstmengen und mühsamer Handarbeit hergestellt werden. Die Produktionsmenge liegt teilweise bei nur 100 Flaschen,  weswegen die Bouteillen nicht zum Portfolio der großen Importeure gehören: „Um guten Mezcal zu finden, muss man sich in der Region auskennen und mit den Herstellern - meist indianischen Kleinbauern - umgehen können.  Man muss Zeit und Passion mitbringen. Ein profitorientiertes Unternehmen hat hierfür keine Muse“, berichtet Axel Huhn. 

Weiterhin werden die Vermarktungsbemühungen der Mezcal-Produzenten von den Tequileros torpediert, die um ihre Marktanteile fürchten. Ein Kampf David gegen Goliath. Die wenigen Großproduzenten, die Mezcal mit industriellen Mitteln produzieren, übten zwar einen wesentlichen Einfluss auf die gesetzlichen Normen ihres Produkts aus, waren aber weitestgehend auf ihre Vorteile bedacht – ganz zum Leid der kleinen Hersteller, deren Credo weiterhin Qualität und nicht Quantität ist.

Produktion mit Tradition

Wie auch Tequila ist das Ausgangsprodukt zur Herstellung von Mezcal die Agave. Wobei schon hier ein wesentlicher Unterschied zu der Spirituose mit Hut besteht: Tequila wird ausschließlich aus der Gattung Azul hergestellt, eine Sorte die mittlerweile in Genbanken vegetativ vermehrt wird. Bei Tequila muss der Agavenanteil 51 Prozent betragen. Zur Produktion von Mezcal wird die Urform Espadín verwendet, von der mindesten 80 Prozent verarbeitet wird, meistens bis zu 100 Prozent. Ausgefallene Mezcalsorten werden auch gerne mit Wildagaven hergestellt, bei denen das Terroir einen wesentlichen Einfluss auf den Geschmack des Destillats ausübt.

Einer guten Flasche Mezcal sollten deswegen  Informationen über die verarbeitete  Agavenart und -  vor allem bei wilden Sorten - deren Alter beigefügt sein, da Agaven erst nach Jahren, manchmal Jahrzehnten eine einzige, enorme Blüte ausbilden, in welche die Pflanze  alle Kraft investiert, bevor sie eingeht. „Wenn es die Aufgabe eines Edelbrenners ist, den Geist und die Aromen seiner natürlichen Ausgangsmaterialien einzufangen, so gilt es bei Mezcal viele Jahre mexikanischer Sonne, Dürre- und Regenzeiten, Hitze und Kälte, aber auch Bodenart, Höhenlage, Küste oder Savanne und vieles mehr in eine Flasche zu bannen“, schwärmt  Huhn.

In traditioneller Handarbeit werden die Herzen der Agaven schließlich geerntet. Um die Kohlenhydrate in gärfähigen Zucker umzuwandeln, werden die Pflanzen langsam gedämpft und manuell zerkleinert. Dazu werden Gruben ausgehoben, ein Feuer aus Eichenholz entzündet und mit Steinen ummantelt. Glühen die Gesteinsbrocken, bedeckt der Mezcalero sie mit einer Schicht feuchter Agavenfasern, die die Herzen vor dem Anbrennen schützen. Danach arrangiert er der die Agavenstücke in der Grube und bedeckt alles mit einer dicken Schicht Erde. Nach drei bis fünf Tagen ist das Fruchtfleisch weich, hat eine dunkelbraune Farbe. Es riecht süßlich, frisch nach Pflanzensäften und leicht nach Karamell. Durch den Garprozess finden sich weiterhin Noten von Holz, Rauch und Erde.

Die folgende Fermentation findet in unterschiedlichen Behältnissen statt - je nach Tradition und Verfügbarkeit: Ein Dorf benutzt große Gärgefäße aus Zedern- das andere aus Piniendauben, einige Orte verwenden über- oder unterirdische Steinwannen, andere ausgehöhlte Baumstämme.  Die Gärung findet in den unverschlossenen Behältnissen statt, um den Zugang der natürlichen Hefen zu gewährleisten. Zuchthefen kommen nicht zum Einsatz. Abhängig von der Größe der Gefäße, der Außentemperatur, Luftfeuchte und der verwendeten Agaven, dauert die fermentación ein bis drei Wochen.

Auch die Destillierapparate folgen keiner Regel: Im einen Ort sind es einfache Pot Stills aus Kupfer und im nächsten Dorf Tontöpfe.  Es existieren keine Vorlagen oder Messinstrumente, alles beruht auf dem Gefühl und der Erfahrung des Brennmeisters, die übrigens nur innerhalb seiner Familie weitergegeben wird. Deshalb sollten auf jeder Flasche der Name des Maestro Mezcalero, der Herstellungsort und die Art des Destillationsverfahrens vermerkt sein. Außerdem sollte die Flasche eine individuelle Nummerierung und die Gesamtstückzahl der abgefüllten Flaschen aufweisen.

Cocktails, Würmer und Normen

Die gesetzliche Norm unterscheidet drei verschiedene Sorten des Agavenbrandes: Mezcal Joven wird nach der Brennphase nicht mehr gelagert und bleibt deswegen klar. Traditionell werden die Destillate in Ton- oder Glasballons abgefüllt, was sie weicher macht, ohne dass dabei ihr spezifischer Geschmack beeinträchtigt wird. Mezcal Reposado muss mindestens zwei Monate in Gefäßen aus Stein- oder Weißeiche gereift sein. Die Farbe ist leicht karamellfarben. Mezcal  Anejo muss mindestens ein Jahr gelagert werden, die Höchstfüllmenge darf 200 Liter betragen, die Farbe erinnert an dunkles Karamell. Alle drei Kategorien können zu Mezcal Abocado verarbeitet werden. Nur diesem Produkt dürfen natürliche Substanzen, Geschmacks- und Aromastoffe zugesetzt werden. Der Mezcal de Gusano - die Spirituose mit dem berühmten Wurm – zählt ebenfalls zu dieser Sorte.

Wobei der ominöse Wurm kein Wurm ist, sondern eine Schmetterlingsraupe – groteskerweise ein Agavenschädling! Dieses Insekt gehört zwar zur traditionellen Küche Oaxacas, einer mexikanischen Provinz, jedoch auf keinen Fall in einen guten Mezcal. In dem Getränk tauchte das Insekt erstmals in den 50er Jahren auf - als Marketing-Gag für Exportware in die USA, wo dessen Verzehr noch heute zu den Ritualen von College-Abschlussfeiern gehört. „ Die Larve verleiht dem Getränk zwar einen spezifischen Geschmack, ich empfinde diesen jedoch keinesfalls als vorteilhaft. Es handelt sich um einen Aromastoff und solche haben bekanntlich in Edeldestillaten nichts verloren. Gute Mezcal haben keinen Wurm.“

Auch als Zutat für Cocktails und Longdrinks eignet sich Mezcal. Letztlich können alle Getränke deren Hauptbestandteil Tequila ist, durch Mezcal ersetzt werden. Wobei das Mischverhältnis individuell überprüft werden sollte, da der intensive Geschmack der Spirituose andere Zutaten überdecken könnte. Außerdem ist es sinnvoll, sich vor dem Griff zum Boston Shaker, dem extravaganten Edelbrand erst einmal pur zu nähern: „Zwei typische Eigenschaften des Mezcal prägen erste Geschmackserfahrungen. Zum einen die kräftige Rauchnote und zum anderen der hohe Alkoholgrad von bis zu 50 Prozent. Beides ist für mitteleuropäische Konsumenten etwas ungewohnt. Ich muss anfügen, dass sich am Mezcal auch Geister scheiden: Man liebt ihn innig oder überhaupt nicht - dazwischen gibt es wenig“, sagt Axel Huhn.

Guckst Du hier: Mezcaleria

1 Kommentar:

  1. yap!

    http://whatadrink.blogspot.com/2012/02/2012-das-jahr-als-wir-alle-agaven.html

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